Gendersensible Sprache
  • ist wertschätzend
  • bildet die Realität ab
  • diskriminiert nicht
  • schließt alle ein
  • ist gerecht
Gendersensible Sprache ist wertschätzend bildet die Realität ab diskriminiert nicht schließt alle ein ist gerecht

„Ein Vater fährt mit seinem Sohn im Auto. Sie verunglücken. Der Vater stirbt an der Unfallstelle. Der Sohn wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und muss operiert werden. Ein Chirurg eilt in den OP, tritt an den Operationstisch heran, auf dem der Junge liegt, wird kreidebleich und sagt: „Ich bin nicht im Stande zu operieren. Dies ist mein Sohn.“

Quelle: Gäckle, Annelene (2021), ÜberzeuGENDERe Sprache. Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache. Köln.

Irritiert Sie diese Geschichte? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Denn der kurze Text wirft viele Fragen auf:
Ist der verunglückte Vater - im Gegensatz zum Arzt - nicht der leibliche Vater? Oder umgekehrt? Oder sind die Eltern ein gleichgeschlechtliches Paar, das aus zwei Vätern besteht? Die Lösung ist viel einfacher: Es wurde davon ausgegangen, dass "Chirurg" ein geschlechtsneutraler Begriff ist und, weil er Mann und Frau gleichermaßen meint, hier für die Mutter verwendet wurde. Wie die Geschichte zeigt, sind unsere Vorstellung und Wahrnehmung an Sprache gekoppelt. Eine differenzierte Sprache trägt dazu bei, Missverständnisse zu verhindern.

Wir verändern uns - Sprache sich auch

Bis vor einigen Jahren war es in der deutschen Sprache üblich, bei Personenbezeichnungen das generische Maskulinum zu verwenden. Die männliche Form sollte weibliche Personen inkludieren. Wenn man beispielsweise von den Teilnehmern sprach, waren auch die Teilnehmerinnen automatisch "mitgemeint". Dass dieser Automatismus nicht funktioniert, hat die Forschung mittlerweile bewiesen. Vielleicht haben auch Sie bei der einleitenden Geschichte gestutzt und wurden zum Nachdenken angeregt?

Wenn wir möchten, dass Sprache alle mitdenkt, müssen wir unsere Sprache der Realität anpassen. Nicht nur Frauen - auch Menschen, die sich nicht der binären Trennung der Geschlechter in Mann und Frau unterwerfen wollen, wurden in den vergangenen Jahren empowert und werden es weiterhin. Dieser Tatsache tragen wir mit einer geschlechtergerechten Sprache Rechnung. Sprache verändert sich seit jeher gemeinsam mit der Gesellschaft, die sie nutzt. Die Erstausgabe von Goethes Faust würde heute wohl kaum ein*e Schüler*in noch verstehen. Noch vor ein paar Jahrhunderten war der Begriff "Weib" für eine Frau gängig, heute hat es einen pejorativen Beigeschmack und wird höchstens noch als Beleidigung benutzt. Aber wir müssen gar nicht so weit in der Geschichte zurückgehen. Auch Berufsbezeichnungen haben (glücklicherweise) einen Wandel erfahren: Für weibliche "Kaufmänner" hat sich die Bezeichnung "Kauffrau" etabliert und der Beruf "Krankenschwester", den ja auch Männer ausüben können und dürfen, heißt heute "Pflegefachmann" oder "Pflegefachfrau" - oder neutral "Pflegefachkraft". Wir können Sprache nutzen und gestalten, lassen Sie uns also kreativ sein - immer mit dem Ziel vor Augen, niemanden mit unserer Ausdrucksweise zu diskriminieren oder auszuschließen.

Neun Arten des Genderns

Gängige Möglichkeiten für geschlechtliche Vielfalt

Teilnehmer

Generisches Maskulinum. Frauen sollen mitgemeint sein.

Teilnehmer/-in

Schrägstrich. Amtlich korrekte Schreibung.

TeilnehmerIn

Binnen-I. Seit den 1980ern häufig in Gebrauch, um Männer und Frauen zu nennen.

Teilnehmer_in

Gender Gap. Die Lücke mit Unterstrich öffnet den Raum für geschlechtliche Variationen.

Teilnehmer*in

Gendersternchen. Der Asterisk steht für geschlechtliche Vielfalt.

Teilnehmerinnen

Femininum. Beim weiblichen Plural fühlen sich Männer nicht automatisch mitgemeint.

Teilnehmer!in

Ausrufezeichen. Alternative zu Gendersternchen und Gender Gap.

Teilnehmer:in

Doppelpunkt. Macht dem Genderstern Konkurrenz.

Teilnehmende

Substantiviertes Adjektiv. Geschlechtsneutraler Oberbegriff.

Wie Sprache zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beiträgt

Unsere Gesellschaft ist einem stetigen Wandel unterworfen. Dieser bildet sich auch in der Sprache ab, die sich ebenfalls fortwährend verändert. Im Grunde ist es ein Wechselspiel, denn Sprache kann auch Realität formen. Das Prinzip der sprachlichen Relativität besagt, dass „Sprache ein Netz ist, das über die Wirklichkeit geworfen wird“. Die Netze der unterschiedlichen Sprachen weisen demnach unterschiedliche Maschen auf. Während ein Eskimo unzählige Arten von Schnee kennt – je nachdem, ob dieser gerade fällt, bereits gefallen ist oder sich schon länger auf dem Boden befindet – haben wir für alle diese Arten des weißen Winterpulvers nur einen einzigen Begriff: Schnee. Wenn wir Dinge nicht benennen können, existieren sie auch nicht. Da, wo ein Wort für diese Dinge sein sollte, ist eine Masche – man greift ins Nichts. Allein dadurch, dass wir über etwas sprechen, wird diese Sache präsent in unserer Vorstellung.

Daher ist es wichtig, Dinge konkret zu benennen, um diese sichtbar zu machen. Durch das Gendern – das Nutzen einer geschlechtersensiblen Sprache – verfolgen wir das Ziel, alle Menschen mit einzuschließen. Der Begriff „Gendern“ leitet sich von dem englischen Substantiv „gender“ ab, mit dem das soziale Geschlecht bezeichnet wird. Dieses ist – anders als das englische Wort „sex“, das wörtlich genauso mit Geschlecht übersetzt werden kann – unabhängig von biologischen Merkmalen. Es beschreibt das Geschlecht, das die Gesellschaft oder man selbst sich zuschreibt. Orthographisches Zeichen wie der Asterisk oder der Gender Gap weisen darauf hin, dass es mehr als die binären Geschlechterrollen Mann und Frau gibt. Seit dem 22. Dezember 2018 kann in Deutschland im Geburtsregister neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ eingetragen werden. Eine sprachliche Manifestierung dieser Regelung war und ist immer noch dringend notwendig.

Eindeutigkeit

In einem Text sollten Menschen konkret benannt werden, sodass keine Zweifel bestehen, wer gemeint ist.

Repräsentation

Die Begriffe und sprachlichen Formen, die wir verwenden, sollten alle Geschlechtsidentitäten repräsentieren und jede*n ansprechen.

Anti-Diskriminierung

Sprache sollte niemanden ausgrenzen oder herabwürdigen.

Beitrag zu mehr Gleichberechtigung

Durch unsere Sprache sollten wir Hierarchien nicht weiter verstärken, sondern an deren Aufbrechen mitwirken.

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