Illustration eines Mannes und einer Frau, die sich auf Augenhöhe stehend die Hand geben (High-Five) und auf einer Waage ausbalanciert sind. Zwischen ihnen ist ein Gleichheitszeichen zu sehen, umgeben von symbolischen Elementen wie Sternen und Pflanzen. Die Illustration vermittelt das Konzept von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung.

Gender Mainstreaming: Chance statt Zumutung

12. Mai 2025

Am 27. Mai 2025 findet der 13. Deutsche Diversity-Tag statt – eine ideale Gelegenheit, einen frischen Blick auf ein vielfach missverstandenes Konzept zu werfen: Gender Mainstreaming. Was oft als sperrig oder gar überholt wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit ein zentraler Baustein für echte Chancengleichheit in Organisationen. Doch was steckt eigentlich dahinter?

Gender Mainstreaming – Was ist das überhaupt?

Der Begriff klingt zunächst komplex. Kein Wunder, dass Ursula Rabe-Kleberg in ihrem Text aus dem Jahr 2002 „Hauptsache Geschlecht? – Gender Doing Gender und gender Mainstreaming“ postuliert: „Gender Mainstreaming ist und bleibt eine Zumutung. Doch gerade diese intellektuelle Herausforderung macht seinen Wert aus. Gender Mainstreaming meint nicht einfach Frauenförderung oder Diversity-Labeling – es ist ein tiefgreifendes, strategisches Verfahren, das systematisch Geschlechterverhältnisse in allen Entscheidungsprozessen berücksichtigt. „Diese Wurzeln in der Frauenpolitik sind von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Konzeptes, zeigen sie doch deutlich, dass dieses Instrument keine Erfindung von wohlwollenden, männlich denkenden Führungskräften ist, sondern eher dem Anspruch derer entspringt, die sich in den Politbürokratien und deren Output nicht wiederfinden,“ betont Dr. Barbara Stiegler in ihrer Abhandlung von 2003.

Ursprünge in der internationalen Frauenpolitik

Seinen Ursprung hat das Konzept in der Frauenbewegung im Rahmen von entwicklungspolitischen Debatten und wurde durch internationale Konferenzen – etwa die UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 – politisch verankert. Es war von Anfang an kein Top-Down-Projekt männlich dominierter Eliten, sondern ein Instrument zur Sichtbarmachung struktureller Geschlechterungleichheiten – mit einem klaren feministischen Impuls.

Gender Mainstreaming und Frauenförderung – zwei ergänzende Strategien

Gender Mainstreaming und Frauenförderung sind zwei zentrale Strategien in der Gleichstellungspolitik. Sie ergänzen sich gegenseitig, weisen jedoch unterschiedliche Zielrichtungen und Anwendungsbereiche auf. Während sich Frauenförderung auf konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Frauen im Beruf konzentriert, ist Gender Mainstreaming ein umfassenderes Instrument, das auf die strukturelle Veränderung von Rahmenbedingungen in Organisationen zielt.

Unterschiedliche Zielrichtungen: Strukturelle Veränderungen vs. konkrete Maßnahmen

Frauenförderung fokussiert sich auf gezielte Programme, um bestehende Nachteile von Frauen auszugleichen. Dagegen strebt Gender Mainstreaming eine systematische Integration der Geschlechterperspektive in sämtliche Entscheidungsprozesse und Strukturen an. Durch diesen Ansatz soll eine dauerhafte Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern erreicht werden.

Gender Mainstreaming als nachhaltige Organisationsstrategie

Eine Organisation, die Chancengleichheit oder Geschlechterdemokratie umsetzen möchte, nutzt Gender Mainstreaming als langfristige Strategie. Intern kommen Frauenförderpläne zum Einsatz, um Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht oder Geschlechterrolle aufzudecken und zu bearbeiten. Diese Pläne analysieren nicht nur den Status quo, sondern nehmen auch strukturelle Veränderungen in den Blick. Genderanalysen untersuchen beispielsweise, wie Normen, Verfahrensweisen, Leistungsstandards und Laufbahnregelungen geschlechtsspezifisch geprägt sind.

Frauenförderpläne als Bestandteil von Gender Mainstreaming

Frauenförderpläne konkretisieren die Ziele von Gender Mainstreaming innerhalb der Personalentwicklung. Sie stellen spezifische Maßnahmen dar, die sich aus der Analyse bestehender Geschlechterverhältnisse ergeben. Ergibt eine Genderanalyse strukturelle Benachteiligungen von Frauen, wird gezielte Frauenförderung notwendig, um Chancengleichheit im Beruf zu gewährleisten.

Erweiterte Genderperspektive: Förderung auch für Männer

Moderne Frauenförderpläne berücksichtigen zunehmend auch männliche Zielgruppen, etwa Väter oder Führungskräfte. Diese Erweiterung basiert auf einem breiteren Genderverständnis und ist ein Indikator dafür, dass Gender Mainstreaming erfolgreich in der Organisation verankert wird. In manchen Fällen zeigt die Genderanalyse sogar einen Bedarf an Männerförderung, beispielsweise um Männern den Zugang zu bisher weiblich dominierten Bereichen wie der privaten Betreuungsarbeit oder sozialen Berufen zu erleichtern.

Was macht Gender Mainstreaming aus?

Gender Mainstreaming...

  •  ...ist eine Strategie für Politik, Unternehmen sowie alle Organisationen, die administrativ und politisch Einfluss nehmen.
  • ...verlangt eine geschlechtersensible Perspektive vor der Planung von Maßnahmen – ex ante, nicht erst im Nachgang.
  • ...arbeitet mit einer Genderanalyse, die fragt, wie Geschlechterdifferenzen sozial hergestellt werden und erfasst nicht bloß, dass sie existieren.
  • ...nutzt bewusst hierarchische Machtstrukturen, um Veränderung „von oben nach unten“ zu initiieren.

Gender Mainstreaming ist nicht gleich „Sex counting“

Ein zentrales Missverständnis: Gender Mainstreaming sei nur ein anderes Wort für das Zählen von Männern und Frauen in Gremien. Doch „Nasenzählen“ allein reicht nicht. Eine echte Genderanalyse fragt: Wie tragen bestimmte Strukturen dazu bei, dass bestimmte Rollenbilder und Ungleichheiten immer wieder reproduziert werden? Das bedeutet auch, die männliche Seite des Geschlechterverhältnisses zu analysieren – etwa mit Blick auf hegemoniale Männlichkeit und ihre (auch für Männer) negativen Auswirkungen.

Gender Mainstreaming trifft New Public Management

Ein spannender Vergleich: Gender Mainstreaming nutzt ähnliche Instrumente wie moderne Managementstrategien – zum Beispiel systematische Analysen, Zielvorgaben oder Controllingverfahren. Doch die Zielrichtung unterscheidet sich grundlegend. Während New Public Management auf Effizienz, Output-Steigerung und Kundenorientierung fokussiert, will Gender Mainstreaming strukturelle Ungleichheiten abbauen – mit dem Fokus auf sozialer Gerechtigkeit, nicht auf Wettbewerbsvorteilen.
Organisationen, die beide Ansätze kombinieren, laufen jedoch Gefahr, Gender Mainstreaming auf die Logik von Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu reduzieren. Umso wichtiger ist es, Gender Mainstreaming nicht als Tool, sondern als Haltung zu verstehen – als langfristige Verpflichtung zur Veränderung von Strukturen.

Relevanz heute

In Zeiten von „Gender Backlash“, antifeministischer Rhetorik und der Popularität von „geschlechtsneutralem Denken“ wird Gender Mainstreaming oft verkannt oder bewusst verzerrt. Dabei zeigt gerade die aktuelle Diskussion, wie nötig eine fundierte strukturelle Betrachtung von Geschlechterverhältnissen ist – auch in scheinbar neutralen Bereichen wie Stadtplanung, Gesundheitsversorgung oder Bildungspolitik.

Der Diversity-Tag erinnert uns daran: Ohne gezielte geschlechterpolitische Strategien bleiben Strukturen, wie sie sind. Gender Mainstreaming bietet genau dafür den Rahmen: als langfristige Haltung, nicht als technokratisches Werkzeug. Wer Verantwortung übernehmen will, findet im Gender Mainstreaming keinen Zumutungs-, sondern einen Gestaltungsauftrag – unabhängig vom eigenen Geschlecht.

Beitragsbild: Shutterstock/Edge Creative
 

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Geschlechtergerechtigkeit gehört zu den Grundsätzen unseres Unternehmens. Sprachliche Gleichbehandlung ist dabei ein wesentliches Merkmal. Für den diskriminierungsfreien Sprachgebrauch verwenden wir in Texten den Gender Star bei allen personenbezogenen Bezeichnungen, um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einzuschließen. Versehentliche Abweichungen enthalten keine Diskriminierungsabsicht.
Illustration eines Mannes und einer Frau, die sich auf Augenhöhe stehend die Hand geben (High-Five) und auf einer Waage ausbalanciert sind. Zwischen ihnen ist ein Gleichheitszeichen zu sehen, umgeben von symbolischen Elementen wie Sternen und Pflanzen. Die Illustration vermittelt das Konzept von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung.



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