
Diskriminierungssensible Konfliktlösung in der Schule: Mobbing erkennen und Vielfalt schützen
Wie geht man mit Ausgrenzung, Mobbing und gruppendynamischen Machtspielen in der Schule um – besonders dann, wenn sie auf diskriminierenden Strukturen beruhen? Die britische Serie Adolescence wirft einen schonungslosen Blick auf genau diese Fragen – und gibt Impulse, die auch im Schulalltag relevant sind.
Toxische Männlichkeit, Ausgrenzung, Gruppenzwang – ein Blick in die Serie
In der Serie Adolescence steht eine englische Schule im Fokus, in der sich eine toxisch-männliche Gruppendynamik unter Jugendlichen ausbreitet. Es geht um Macht, Status, Unterdrückung – und darum, wie schnell Empathie, Selbstzweifel oder „Anderssein“ zum Angriffspunkt werden können. Was als pubertäre Provokation beginnt, eskaliert zu offenem Mobbing, Ausgrenzung und psychischer Gewalt. Die Serie beleuchtet dabei nicht nur klassische Mobbingmuster, sondern auch, wie sich ideologische Konzepte von Männlichkeit in Jugendkulturen einschreiben können.
Ein besonders brisantes Beispiel: Die Denkweise sogenannter Incels – eine Online-Subkultur, die sich selbst als „involuntary celibates“ (unfreiwillig Enthaltsame) bezeichnet. Auch wenn dieser Begriff in der Serie nicht explizit fällt, sind die Strukturen erkennbar: ein männerbündisches Weltbild, das sich über Abwertung von Frauen und nicht-konformen Jungen stabilisiert. Hier entsteht ein gefährlicher Nährboden für Misogynie und Gewaltfantasien – ein Phänomen, das auch an Schulen nicht spurlos vorbeigeht.
Incel-Ideologie: Wenn Online-Hass in den Schulalltag schwappt
Die sogenannte Incel-Subkultur ist in Internetforen entstanden, ihre Inhalte verbreiten sich aber zunehmend unter Jugendlichen – auch über soziale Netzwerke wie TikTok, Reddit oder Discord. Kern der Incel-Ideologie ist ein Bild hegemonialer Männlichkeit, das sexualisierte Dominanz, emotionale Kälte und die Abwertung von Weiblichkeit propagiert.
Typisch ist ein Denken in rigiden Hierarchien: Wer keinen Erfolg bei Mädchen hat, sieht sich als Opfer eines „Systems“ – häufig begleitet von Hass auf selbstbestimmte Frauen, auf feministische Bewegungen oder auf Jungen, die sich von diesen Normen abwenden. Diese Vorstellungen sind nicht nur sexistisch, sondern auch gefährlich, weil sie gewaltlegitimierende Einstellungen fördern.
Im Schulkontext äußert sich das oft subtil: in sexistischen Sprüchen, in der gezielten Abwertung einzelner Mitschüler*innen, in digitalem Mobbing oder im Rückzug Jugendlicher in radikale Online-Communities. Lehrkräfte bemerken die Symptome, können sie aber ohne Hintergrundwissen oft schwer einordnen.
Warum klassische Lösungen oft nicht greifen
Typische Reaktionen auf Konflikte in der Schule setzen auf Gespräche, Neutralität oder Disziplinarmaßnahmen. Doch wenn Ausgrenzung auf Diskriminierung basiert – etwa wegen Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe oder sexueller Identität – greifen diese Ansätze oft zu kurz.
Diskriminierung ist kein bloßer Streit, sondern Ausdruck gesellschaftlich verankerter Machtverhältnisse. Wer diskriminierungssensibel handeln will, braucht mehr als pädagogisches Fingerspitzengefühl: gefragt ist eine klare, informierte Haltung, die strukturelle Aspekte mitdenkt und aktiv Position bezieht.
Was bedeutet diskriminierungssensible Konfliktlösung für Lehrkräfte?
Diskriminierungssensible Konfliktlösung bedeutet:
- Parteilichkeit für Betroffene, statt falscher Neutralität
- Reflexion eigener Vorannahmen, um unbewusste Schutzmechanismen gegenüber Täter*innen zu erkennen
- Einbezug gesellschaftlicher und kultureller Hintergründe, um mehr als nur die Oberfläche eines Vorfalls zu erfassen
Das Ziel ist nicht nur Deeskalation, sondern eine nachhaltige Veränderung des Miteinanders. Konflikte können – richtig begleitet – zu Lernmomenten für die ganze Schulgemeinschaft werden.
Praxistipps für Schulen
1. Vielfalt im Unterricht sichtbar machen
Diskriminierung beginnt oft dort, wo bestimmte Lebensrealitäten unsichtbar bleiben. Lehrmaterialien, Sprachgebrauch und Repräsentation im Schulalltag sollten Vielfalt nicht nur tolerieren, sondern aktiv abbilden.
2. Mobbing nicht bagatellisieren – strukturell analysieren
Nicht jeder Konflikt ist ein Fall von Diskriminierung. Doch wenn sich Muster erkennen lassen – etwa wiederholte Abwertungen bestimmter Gruppen – muss genauer hingesehen werden: Was steckt wirklich hinter dem Verhalten?
3. Handlungssicherheit durch klare Leitlinien
Schulen profitieren von gemeinsam entwickelten Handlungsstrategien für diskriminierende Vorfälle. Solche Leitfäden geben Lehrkräften Sicherheit und Orientierung – auch in emotional aufgeladenen Situationen.
4. Betroffene stärken – nicht relativieren
Wer diskriminiert wurde, braucht Schutz, Vertrauen und echte Anerkennung. Die Perspektive der Betroffenen sollte im Zentrum stehen – nicht die Intention derjenigen, die diskriminieren.
Schule kann Schutzraum sein – wenn sie hinsieht
Ob eine Schule ein sicherer Ort ist, an dem Vielfalt geschützt wird, hängt maßgeblich vom Umgang mit Ausgrenzung und Diskriminierung ab. Wegsehen ist keine Option.
Die Serie Adolescence zeigt eindrücklich, wie Gruppendruck, toxische Rollenbilder und Ideologien wie die Incel-Ideologie eskalieren können, wenn sie nicht hinterfragt und unterbrochen werden. Eine diskriminierungssensible Konfliktkultur ermöglicht es, aus verletzenden Situationen Lernräume zu machen – und Schule zu einem Ort zu entwickeln, an dem alle dazugehören dürfen.
GLOSSAR
Was bedeutet „toxische Männlichkeit“?
Toxische Männlichkeit bezeichnet gesellschaftlich geprägte Verhaltensnormen, die Männlichkeit mit Dominanz, Härte, Gefühlsunterdrückung und Abwertung des Weiblichen verbinden. Sie schränkt Jungen wie Mädchen ein und kann ein Klima der Angst, Kontrolle und Gewalt fördern. Die Incel-Ideologie ist ein Extrem dieser Denkweise, das insbesondere im digitalen Raum auf Jugendliche wirken kann – mit realen Folgen für das soziale Miteinander in der Schule.
Eine Schulkultur fördern, in der Vielfalt geschützt und gelebt wird!
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Hier geht es zum Interview mit Balian Buschbaum über seine Diversity-Seminare an Schulen.
Foto: Shutterstock/LightField Studios

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