Tokenismus – Ungefragt in der Symbolposition-1

Tokenismus – Ungefragt in der Symbolposition

6. Dezember 2023

Mit Sätzen wie „Wir haben eine schwarze Person in der Firma“ oder „In der Führungsebene in unserem Konzern ist eine Frau“ rühmen sich Unternehmen und möchten damit nach außen kommunizieren, dass es keinerlei Probleme mit Gender, Rassismus oder Gleichberechtigung gibt. Die eine Person – der*die Schwarze, die Frau – nimmt, oft ungefragt, exemplarisch die Position für die jeweilige marginalisierte Gruppe ein. Diese symbolische Positionierung wird als Tokenismus bezeichnet. Wir erklären hier, was genau es damit auf sich hat.

Woher stammt der Begriff Tokenismus?

In den späten 1970er-Jahren wurde der Begriff "Tokenismus" (engl. tokenism) von der US-amerikanischen Soziologin Rosabeth Moss Kanter geprägt. Sie beschreibt die Situation, in der marginalisierte Personen innerhalb von Gruppen eine oft ungewollte Alibifunktion einnehmen. Tokens werden nicht als individuelle Persönlichkeiten betrachtet. Sie werden lediglich als Repräsentant*innen ihrer vermeintlichen Gruppe instrumentalisiert und auf ihre scheinbaren Identitätskategorien reduziert. Durch den Einsatz von Tokenismus stellen sich Gruppen oder Institutionen nach außen hin als divers und emanzipiert dar, um Anerkennung zu erlangen. Gleichzeitig können die privilegierten Mitglieder innerhalb dieser Struktur ihre Machtpositionen und Privilegien weiterhin absichern. Die Auswirkungen des Tokenismus auf die psychische und physische Gesundheit der Betroffenen können gravierend sein, da sie in stereotype Rollen gedrängt werden und sich dadurch entmenschlicht fühlen können.

Definition von Tokenism

auf deutsch: Tokenismus

Tokenismus bezieht sich auf die Praxis, eine symbolische Geste oder Maßnahme zu ergreifen, um den Eindruck von Vielfalt, Inklusion oder Gleichberechtigung zu erwecken, ohne jedoch tatsächlich substantielle Veränderungen oder Fortschritte in diesen Bereichen zu bewirken. Es beinhaltet oft die Auswahl eines einzelnen Vertreters bzw. einer Vertreterin einer bestimmten Gruppe (z.B. basierend auf Geschlecht, Ethnizität oder Religion), um den Anschein von Vielfalt oder Inklusion zu erwecken, während strukturelle Barrieren oder Diskriminierung weiterhin bestehen bleiben können. In vielen Fällen dient Tokenismus dazu, Kritik oder Bedenken hinsichtlich fehlender Diversität oder Gerechtigkeit zu beschwichtigen, ohne tatsächlich die zugrunde liegenden Probleme anzugehen.

Wo setzt Tokenismus an?

Kanter unterscheidet hierbei zwischen drei Wirkungstendenzen von Tokenismus. Diese lauten:

  • Erhöhte Sichtbarkeit (Visibilität) – Personen werden durch den Tokenismus ins Rampenlicht gerückt. Es kann so ein erhöhter Arbeitsdruck entstehen, weil die eigene Arbeit dadurch besonders gewertet oder kritisiert wird.
  • Hervorheben und Verfestigen von Unterschieden (Polarisierung) – Die Gemeinsamkeiten innerhalb einer zahlenmäßig dominanten Gruppe werden betont, während die Unterschiede zur Person mit Token-Status besonders hervorgehoben werden. In solchen Situationen stehen der Person mit Token-Status häufig zwei Möglichkeiten offen: Sie kann entweder ihre Außenseiterrolle akzeptieren oder versuchen, Zugang zur dominierenden Gruppe zu erlangen. Oft geschieht dies jedoch durch einseitige Anpassung und auf Kosten der Solidarität mit der eigenen Gruppe. Daher wird der Begriff "Token" manchmal als Vorwurf und als Kritik an die betroffene Person verwendet.
  • Angleichung und Anpassung (Assimilation) – Menschen mit Token-Status sind oft den Bildern ausgesetzt, die die dominante Gruppe von ihnen hat, sei es in Form von Stereotypen oder Vorurteilen. Ihnen bleibt nur begrenzter Handlungsspielraum; sie können sich entweder den Vorstellungen und Erwartungen der dominanten Gruppe anpassen oder versuchen, aus diesen Rollen auszubrechen und ihren Sonderstatus beizubehalten.

Wen bezeichnet man als Token?

Der Begriff "Token" impliziert, dass die Person lediglich als Symbol oder "Placebo" für Diversität dient, ohne dass ihr die tatsächliche Befugnis oder Unterstützung gegeben wird, um bedeutende Veränderungen herbeizuführen.

Isolation durch Sonderstellung

Menschen mit Token-Status sind oftmals auf Grund ihrer Sonderstellung innerhalb der Gruppe und den zuvor beschriebenen Wirkungsweisen isoliert. Eine Praktik des Tokenismus kann ebenfalls sein, dass Tokens beispielsweise innerhalb einer Organisation bewusst voneinander isoliert werden, um einen Erfahrungsaustausch zwischen ihnen zu vermeiden.

Beispiele für Tokenismus

Ein Beispiel für Tokenismus könnte sein, wenn ein Unternehmen oder eine Organisation ein einzelnes Mitglied einer unterrepräsentierten Gruppe in eine Führungsposition bringt, um den Eindruck von Vielfalt zu erwecken, obwohl strukturelle Barrieren oder systemische Diskriminierung innerhalb der Organisation weiterhin bestehen. Dies könnte dazu dienen, Kritik an der mangelnden Diversität innerhalb des Unternehmens zu beschwichtigen, ohne substantielle Maßnahmen zu ergreifen, um die zugrunde liegenden Ursachen der Ungleichheit anzugehen.

Ein weiteres Beispiel für Tokenismus könnte in einer politischen Debatte auftreten, wenn eine Partei oder ein politischer Akteur eine Person aus einer unterrepräsentierten Gruppe für eine bestimmte Position oder Rolle auswählt, nicht aufgrund ihrer Qualifikationen oder Fähigkeiten, sondern ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe. Dies könnte dazu dienen, den Anschein von Vielfalt oder Inklusion zu erwecken, während die strukturellen Hindernisse oder systematische Diskriminierung in der Politik weiterhin bestehen bleiben. Die Person könnte möglicherweise nicht die erforderliche Unterstützung, Autorität oder Einfluss haben, um substantielle Veränderungen für ihre Gemeinschaft zu bewirken, und könnte stattdessen als "Token" fungieren, um die Kritik an der mangelnden Diversität innerhalb der Partei zu beschwichtigen.

Unternehmensschulungen zu Diversität

Um Tokenismus im eigenen Unternehmen zu verhindern, sollten ausgewählte Diversitäts- und Inklusionsprogramme implementiert werden, die darauf abzielen, echte Chancengleichheit und Vielfalt zu fördern. Das bietet das Online-Seminar Diversity Awareness der ESO Education Group. Der Onlinekurs zum Selbstlernen beinhaltet Bausteine wie die Dimensionen der Vielfalt, gendergerechte Sprache, Inklusion und Gerechtigkeit sowie geschlechtliche Identität. Hier geht es zum Infoflyer.

Letztendlich sollte der Kampf gegen Tokenismus eine fortlaufende und kollektive Aufgabe sein, die von allen verstanden und unterstützt wird. Über regelmäßige Überprüfungen, Feedback-Mechanismen und eine kontinuierliche Reflexion kann Fortschritt erzielt und eine Kultur der Echtheit, Anerkennung und Respekt geschaffen werden.

 

Bildquelle: Shutterstock/LightField Studios

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